Verwaltungsverfahrensgesetz

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Basisdaten
Titel: Verwaltungsverfahrensgesetz
Abkürzung: VwVfG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland             
Rechtsmaterie: Allgemeines Verwaltungsrecht
Fundstellennachweis: 201-6
Ursprüngliche Fassung vom: 25. Mai 1976
(BGBl. I S. 1253)
Inkrafttreten am: 1. Januar 1977
Neubekanntmachung vom: 23. Januar 2003
(BGBl. I S. 102)
Letzte Änderung durch: Art. 1 G vom 4. Dezember 2023
(BGBl. I Nr. 344 vom 8. Dezember 2023)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
1. Januar 2024
(Art. 6 G vom 4. Dezember 2023)
GESTA: C191
Weblink: Text des Gesetzes
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) der Bundesrepublik Deutschland enthält Regeln für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.

Eine erste Publikation zu den Regeln, nach denen sich die Verwaltung bei ihrer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit zu richten hat, stammt von Veit Ludwig von Seckendorff (Der deutsche Fürstenstaat, 1656). 100 Jahre später schrieb Gottlob von Justi über die Grundsätze der Policey-Wissenschaft (1756). Nach Erscheinen der Verwaltungslehre Lorenz von Steins (1865) haben Ende des 19. Jahrhunderts zunächst das Königreich Preußen und Baden eigene Gesetze zur Regelung des Verwaltungsverfahrens erlassen. Thüringen und Württemberg folgten in den Jahren 1926 und 1931.

Nach Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 erarbeiteten verschiedene Länder voneinander unabhängig Gesetze oder zumindest Entwürfe, was zu uneinheitlichen Lösungen im Bundesgebiet führte. Deshalb entschlossen sich Bund und Länder 1964, gemeinsam den Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes zu erarbeiten mit dem Ziel, diesen Entwurf inhaltlich gleichlautend vom Bundestag als Bundesgesetz und von den Länderparlamenten jeweils als Landesgesetz zu erlassen. Ein in Bund und Ländern einheitliches Verfahrensrecht sei sowohl im Interesse des Bundes und der Länder wie auch im Interesse des Staatsbürgers geboten. Als Ergebnis einer Diskussion in der Fachwelt wurde 1970 ein zweiter Gesetzentwurf erarbeitet,[1] der jedoch nicht mehr verabschiedet wurde. Der Entwurf des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vom 18. Juli 1973[2] griff dann die weitere Rechtsentwicklung auf – darunter auch Kodifikationen im Ausland, soweit diese auf die verfassungsrechtliche Lage in der Bundesrepublik übertragbar waren – und trat zum 1. Januar 1977 in Kraft.[3][4]

In der DDR sah das Gesetz über die Bearbeitung der Eingaben der Bürger lediglich eine informelle Konfliktbewältigung vor.

Anwendungsbereich

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Bund besitzt gem. Art. 83 ff. GG eine Gesetzgebungskompetenz für das Verwaltungsverfahren nur, soweit es Bundesbehörden betrifft oder soweit andere Behörden Bundesrecht ausführen.

Das Bundesgesetz gilt daher gem. § 1 Abs. 1 VwVfG für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden des Bundes sowie der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Gem. § 1 Abs. 2 VwVfG gilt es auch für die Behörden der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausführen.

Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt das VwVfG jedoch nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist (§ 1 Abs. 3 VwVfG). Soweit das Landesrecht mit dem Bundesrecht wortlautgleich ist, sichert das Bundesverwaltungsgericht die einheitliche Auslegung (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO).

Für die Ausführung von Bundesrecht und für den Vollzug von Landesrecht durch Landesbehörden, die Gemeinden und Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des jeweiligen Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts haben die Länder eigene Verfahrensgesetze erlassen, die jedoch inhaltlich weitgehend mit dem Bundesgesetz übereinstimmen. Eine Ausnahme macht Schleswig-Holstein, das mit dem Landesverwaltungsgesetz (LVwG) eine ältere und unabhängig entstandene Kodifikation hat. Einige Länder, etwa Berlin, begnügen sich auch mit einer Übernahme der bundesrechtlichen Regelung oder verweisen nur auf diese.

Für die Tätigkeit bestimmter inländischer Behörden, die Vertretungen des Bundes im Ausland sowie die Kirchen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften gilt das VwVfG nicht (§ 2 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 VwVfG), für die Gerichts- und Justizverwaltung sowie bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen nur eingeschränkt (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 VwVfG). Den Religionsgesellschaften ist durch Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 der Weimarer Reichsverfassung ein kirchliches Selbstbestimmungsrecht in der Verwaltung ihrer Angelegenheiten garantiert.

Insbesondere haben die Finanzverwaltung mit der Abgabenordnung (AO) und die Sozialverwaltung, deren Behörden als Sozialleistungsträger besondere Teile des Sozialgesetzbuches ausführen (etwa BAföG und Wohngeldgesetz), mit dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eigene Verfahrensregelungen. Die Besonderheiten dieser Sachgebiete gestatten eine allgemeine Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht.[5]

Der Verwaltungsakt

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu den wichtigsten Regelungen gehört die Legaldefinition des Verwaltungsakts in § 35 Satz 1 VwVfG. Für dessen Zustandekommen sieht z. B. § 28 VwVfG grundsätzlich eine vorherige Anhörung des Bürgers vor, ohne die der Verwaltungsakt formell rechtswidrig sein könnte.

Der Verwaltungsvertrag

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Daneben werden auch andere Handlungsformen der öffentlichen Verwaltung geregelt, wie z. B. der öffentlich-rechtliche Vertrag (auch: Verwaltungsvertrag), bei dem nicht die Behörde einseitig Recht setzt, sondern durch gleichberechtigte Beteiligung des Bürgers die Akzeptanz des Verwaltungshandelns erhöhen kann (§§ 54 bis 62 VwVfG).

Weitere Inhalte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Gesetz enthält zahlreiche weitere Regelungen. Zum Beispiel, wie die Behörden ihr Ermessen auszuüben haben (§ 40 VwVfG), welche Folgen Verfahrens- und Formfehler haben (§§ 44 bis 46 VwVfG) und wie Planfeststellungsverfahren durchzuführen sind (§§ 72 bis 78 VwVfG).

Durch das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21. August 2002[6] wurde unter anderem auch das Verwaltungsverfahrensgesetz ausdrücklich für die elektronische Kommunikation geöffnet. Die Änderungen traten am 1. Februar 2003 in Kraft. Der neu eingefügte § 3a VwVfGermöglicht als Generalklausel für E-Government insbesondere elektronische Verwaltungsakte und Anträge. Gleichlautende Regelungen wurden zeitlich nachfolgend in die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder aufgenommen.

Die §§ 23 und 26 haben durch Artikel 4 Abs. 8 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004[7] eine Änderung erfahren.

Mit dem 5. VwVfÄndG[8] wurden mit Wirkung zum 1. Januar 2024 die §§ 27a bis 27c VwVfG zur Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung dauerhaft in das Gesetz eingefügt. Auf alle davor begonnenen, aber nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren sind das VwVfG in der bis zum 31. Dezember 2023 geltenden Fassung und das Planungssicherstellungsgesetz weiter anzuwenden (§ 102a VwVfG).[9] Mit dem Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG) vom 20. Mai 2020[10] sollte zunächst befristet sichergestellt werden, dass auch unter den erschwerten Bedingungen während der COVID-19-Pandemie Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie besondere Entscheidungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung ordnungsgemäß durchgeführt werden können.[11] Nach Abschluss der Evaluierung des PlanSiG durch das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung im Herbst 2022 wurden bewährte Regelungen in Dauerrecht überführt.[12]

Gliederung des Gesetzes

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teil I Anwendungsbereich, örtliche Zuständigkeit, elektronische Kommunikation, Amtshilfe, europäische Verwaltungszusammenarbeit

Abschnitt 1 Anwendungsbereich, örtliche Zuständigkeit, elektronische Kommunikation

Abschnitt 2 Amtshilfe

Abschnitt 3 Europäische Verwaltungszusammenarbeit (seit 28. Dezember 2009)

  • § 8a Grundsätze der Hilfeleistung
  • § 8b Form und Behandlung der Ersuchen
  • § 8c Kosten der Hilfeleistung
  • § 8d Mitteilungen von Amts wegen
  • § 8d Anwendbarkeit

Teil II Allgemeine Vorschriften über das Verwaltungsverfahren

Abschnitt 1 Verfahrensgrundsätze

Abschnitt 2 Fristen, Termine, Wiedereinsetzung

Abschnitt 3 Amtliche Beglaubigung

Teil III Verwaltungsakt

Abschnitt 1 Zustandekommen des Verwaltungsaktes

Abschnitt 2 Bestandskraft des Verwaltungsaktes

Abschnitt 3 Verjährungsrechtliche Wirkungen des Verwaltungsaktes

Teil IV Öffentlich-rechtlicher Vertrag

Teil V Besondere Verfahrensarten

Abschnitt 1 Förmliches Verwaltungsverfahren

Abschnitt 1a Verfahren über eine einheitliche Stelle

Abschnitt 2 Planfeststellungsverfahren

Teil VI Rechtsbehelfsverfahren

  • § 79 Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte
  • § 80 Erstattung von Kosten im Vorverfahren

Teil VII Ehrenamtliche Tätigkeit, Ausschüsse

Abschnitt 1 Ehrenamtliche Tätigkeit

Abschnitt 2 Ausschüsse

Teil VIII Schlussvorschriften

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. BT-Drucksache VI/1173
  2. BT-Drucksache 7/910
  3. Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) BT-Drs. 7/910 vom 18. Juli 1973, S. 31 f.
  4. Peter Badura: Das Verwaltungsverfahren, in: Hans-Uwe Erichsen, Wolfgang Martens (Hrsg.): Allgemeines Verwaltungsrecht. Walter de Gruyter 1975, § 36 Rechtsquellen und Literatur, S. 233 ff.
  5. vgl. Entwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) BT-Drs. 7/910 vom 18. Juli 1973, S. 33 ff.
  6. BGBl. 2002 I S. 3322, PDF
  7. BGBl. 2004 I S. 718, PDF
  8. Fünftes Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften sowie zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuchs (5. VwVfÄndG) vom 4. Dezember 2023, BGBl. I Nr. 344
  9. vgl. zum Außerkrafttreten § 7 Abs. 2 PlanSiG
  10. Gesetz zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmigungsverfahren während der COVID-19-Pandemie (Planungssicherstellungsgesetz - PlanSiG) vom 20. Mai 2020, BGBl. I S. 1041
  11. Michael Krautzberger, Bernhard Stüer: Planungssicherstellungsgesetz 2020: Öffentlichkeitsbeteiligung in Krisenzeiten. DVBl. 2020, S. 910–913.
  12. Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (5. VwVfÄndG). BT-Drs. 20/8299 vom 11. September 2023.